MTTR – die verkannte Kennzahl

Wie Sie mit dem Fokus auf diese Kennzahl unglaubliche Einsparungen erzielen können.

MTTR, was ist das eigentlich?

MTTR steht für Mean Time to Repair. Also die durchschnittliche Dauer einer Instandsetzung (Reparatur).

Die Kennzahl bezieht sich auf ungeplante Anlagen-/Maschinenausfälle und misst die Zeit vom Stopp der Anlage durch einen Defekt bis zum erneuten Anlauf nach der Reparatur.

Oft stellt sich die Frage, was der Ausfall einer Maschine durch einen technischen Defekt kostet? Technische Defekte führen in der Regel zu ungeplanten Anlagenstillständen, deshalb ist der Verlust besonders hoch. Denn wer denkt, dass der Ausfall nur dem Maschinenstundensatz oder den Personalkosten entspricht, der irrt gewaltig.

Überlegen wir mal was passiert, wenn eine Maschine ungeplant stehen bleibt. Wie viele Menschen werden dann aktiv?

Ich will nur mal ein paar Beispiele nennen:

  1. Der Vorgesetzte wird vom Bedienpersonal kontaktiert, dieser informiert z.B.
  2. …den technischen Service. Hier wird vielleicht von einer Führungskraft ein Mitarbeiter zum Einsatzort geschickt.
  3. Dann wird vom Fertigungsleiter die Produktionsplanung informiert.
  4. Die Produktionsplanung muss sich vielleicht mit dem Versand in Verbindung setzen, um die Lieferverzögerung anzukündigen.
  5. Vielleicht ist es auch erforderlich, dass der Kundenservice den Kunden informiert, um die Lieferverzögerung mitzuteilen.
  6. Der Mitarbeiter vom technischen Service braucht ein Ersatzteil, dass vom Einkauf bestellt werden muss.
  7. Da bei dem Ersatzteil eine Kostengrenze überschritten wurde, muss der Einkauf erst die Freigabe von der Geschäftsleitung haben.
  8. Da der Kunde den Lieferrückstand nicht tolerieren will und mit Kündigung der Verträge droht, muss das Management ein Krisenmeeting einberufen.

Stellen wir dazu mal eine kleine Milchmädchenrechnung auf:

Nehmen wir an, unser Betrieb hat 10 Maschinen, die im Drei-Schicht-Betrieb laufen.

Abzüglich der Pausen haben wir also 22,5 Stunden Betriebszeit pro Maschine, das macht 225 Stunden am Tag und 1125 Stunden pro Woche. Jetzt hat unser Betrieb eine sehr gute Instandhaltung und die Ausfallquote der Maschinen durch technische Defekte liegt bei nur 3%.

Dann hätten wir rund 34 Stunden Ausfallzeit pro Woche. Wie wir an dem Beispiel gesehen haben, sind schnell 10 Mitarbeiter aktiv, wenn eine Maschine ungeplant stehen bleibt. Nehmen wir mal an, jeder Ausfall dauert durchschnittlich eine Stunde und jeder aktivierte Mitarbeiter hat dadurch eine Stunde Mehrarbeit. Das würde bedeuten, dass eine Ausfallstunde bei ca. 50€ x 10 Mitarbeiter, ca. 500€ kostet. Und das sind ja nur Personalkosten. Das wären schon 17.000€ pro Woche bzw. 850.000€ pro Jahr.

In der Realität lassen sich die tatsächlichen Kosten kaum berechnen. Deshalb einfach mal diese Milchmädchenrechnung, um aufzuzeigen, wohin die Reise ungefähr geht. Und diese Zahlen sind ja nicht einmal zu hoch gegriffen. Wenn die Ausfälle zur Kundenunzufriedenheit führen, kann man auch Kunden verlieren. Dann sieht die Rechnung noch ganz anders aus. Abhängig vom Prozess, kann natürlich der Produktionsausfall allein schon diese Kosten toppen.

Natürlich sollte man Ausfälle grundsätzlich verhindern, aber ich möchte jetzt einmal darüber reden, wie man die Ausfallzeiten verkürzen kann.

Um hier zu einem Ergebnis zu kommen, kann ich, wie es in der Lean-Welt üblich ist, den Prozess der Instandsetzung auf Verluste hin überprüfen. Das macht man durch einen Workshop mit den Betroffenen.

Auf Basis meiner Erfahrungen will ich einmal aufzeigen, wo die 5 häufigsten Verluste im Instandsetzungsprozess entstehen.

  1. Die Informationskette
    Bei einem Ausfall muss die Technik informiert werden, um den richtigen Mitarbeiter schicken zu können und ihm die Möglichkeit zu geben, so gut wie möglich vorbereitet zu sein.
    Dass heißt die Maschinenführer müssen möglichst umfassende Informationen liefern. Je qualifizierter sie sind, um so besser können sie die Schadensursache erkennen und der Technik beschreiben. Wenn der Schlosser zum Beispiel bereits das richtige Werkzeug und das Ersatzteil mitbringen kann, hat er vielleicht schon einige Wege gespart.
  2. Schlechte Vorbereitung
    Aus Punkt 1 resultiert somit oft der Punkt 2.
    Aber nicht nur. Ein versierter Handwerker überlegt sich vorher, was er vielleicht brauchen könnte, um den Schaden zu beheben. Oder er stellt bei der Schadensmeldung schon die richtigen Fragen. Oft gehen die Leute aber völlig unvorbereitet zum Einsatzort um erst einmal zu „Schauen“. Das notwendige Equipment kann man dann ja immer noch holen. Die Vorbereitung ist meistens eine Frage des Trainings, der Werkstattkultur und somit der Führung.
  3. 5-S in der Werkstatt
    Es ist unglaublich, wie viel Zeit durch Suchen von Ersatzteilen, Werkzeugen, Zeichnungen und Hilfsmitteln verloren geht. Grundvoraussetzung für einen effizienten Instandsetzungsbetrieb ist eine absolute Kultur der Ordnung und Sauberkeit in Werkzeugwagen, in der Werkstatt und in deren Lagerbereichen.
  4. Fähigkeit zur Problemlösung und Improvisation
    In vielen Fällen gehen nicht einfach nur Teile kaputt, die ich ohne Komplikationen austauschen kann. Ein guter Handwerker muss viele Tricks auf Lager haben, um Probleme zu lösen. Es geht nicht nur um provisorische Lösungen, sondern auch um grundsätzliche Lösungsansätze. Wie kann ich z.B. unter den gegebenen Bedingungen in möglichst kurzer Zeit das so schlecht verbaute Maschinenteil wechseln.

Ein Beispiel: An einem Getriebe ist ein Lagerschaden aufgetreten. Das festsitzende Lager hat zudem den äußeren Lagersitz verschlissen.

Der Wechsel des ganzen Getriebes würde vielleicht Tage in Anspruch nehmen. Also stellt sich 1. die Frage, wie kann ich das Lager wechseln, ohne das Getriebe komplett auszubauen? und 2. Wenn ich das Lager ausbauen kann, was kann ich tun, um den verschlissenen Lagersitz auszubessern?

Auch wenn hier ein Austausch des Getriebes unumgänglich ist, sollten wir das aber möglichst in einer geplanten Zeit machen. Die Aufgabe des Mechanikers wäre es jetzt, Lösungen für die zwei Fragestellungen zu finden. Der Erfolg hängt jetzt von vielen Faktoren ab. Einige der wichtigsten will ich mal nennen:

4.1. Intelligenz und Fähigkeit zum analytischen Denken des Handwerkers
4.2. Erfahrung des Handwerkers
4.3. Geschick des Handwerkers
4.4. Training des Handwerkers
4.5. Technische Ausstattung des Handwerkers bzw. der Werkstatt
4.6. Führung und innere Einstellung (Motivation) des Handwerkers

  1. Und zuletzt entstehen viele Verluste, weil die Mitarbeiter nicht über ausreichend oder geeignete Werkzeuge verfügen
    Man glaubt es kaum, aber im Punkt Werkzeug versuchen fast alle Unternehmen zu sparen. Oft sind die Mitarbeiter nicht einmal mit vernünftigem Beleuchtungsgerät ausgestattet. Wie soll man denn unter solchen Bedingungen effizient arbeiten?

     

Aus all diesen Aspekten ergeben sich folgende Ansatzpunkte für ein Unternehmen. Im Idealfall führt man systematisch TPM mit der geplanten Instandhaltung nach dem JIPM Modell ein.

Aber unabhängig davon beginnt alles mit dem Beschäftigungsverhältnis des Handwerkers. Hier ist folgendes zu empfehlen:

  • Die Besten sind gerade gut genug. Man sollte hier nicht am falschen Ende sparen. Top Mitarbeiter kosten einfach mehr Geld, bringen mir aber ein Vielfaches der Investition zurück. Wenn wir nur an unsere Rechnung vom Anfang denken. Wenn mir ein TOP-Mitarbeiter dazu beiträgt, dass sich die MTTR um 10% reduziert, hat er sich schon komplett bezahlt gemacht. Da jetzt aber kaum ein Unternehmen eine komplett neue Mannschaft einstellen will, bleibt nur der Weg, aus der bestehenden Mannschaft durch konsequentes Training ein Spitzenteam zu machen.

  • Am besten kann ich meine Mitarbeiter trainieren, wenn ich Instandsetzungsarbeiten von ausgebauten Teilen nicht outsource, sondern im eigenen Haus durchführe. Ja ich weiß, dafür muss ich mehr Mitarbeiter vorhalten und das erhöht die Fixkosten. Aber diese Rechnung geht auf. Nicht nur, dass die Arbeiten dann billiger sind, durch das Ausführen der Reparaturarbeiten verbessern die Mitarbeiter ihr Geschick und lernen die Bauteile und deren Funktion besser kennen. Sie lernen, wo die Schwachstellen sind und können mit ihrem Wissen zur Prävention von Ausfällen beitragen. Kommt es trotzdem zum erneuten Ausfall des Bauteils, so können sie die Instandsetzung auf Grund ihrer Erfahrung wesentlich schneller durchführen. Auf die weiteren Vorteile eines größeren Teams will ich an dieser Stelle gar nicht eingehen.

  • Ich sollte mein Mitarbeiterteam mit der Kennzahl MTTR konfrontieren. Zuerst sollte ein Workshop durchgeführt werden, bei dem den Mitarbeitern die Verluste vor Augen geführt werden. Dann werden gemeinsam Ziele festgelegt. Die daraus abgeleiteten Aktivitäten können (und werden wahrscheinlich) zum Beispiel auch zur Verbesserung der 5-S-Kultur führen.

  • Dann habe ich noch einen Geheimtipp: Schaffen Sie sich einen Erste Hilfe-Schrank für die Werkstatt an. Gemeint ist Erste Hilfe für Maschinen. Dieser Schrank sollte alles Erdenkliche an ausgefallenen Hilfsmitteln beinhalten, die nicht jeder in seinem Werkzeugwagen haben muss. Z. B.: verschiedenste Klebstoffe oder Metallersatzstoffe, Klammern und Befestigungshilfen, Kleinschleifer (Dremel), spezielle Klebebänder aller Art, Dichtmittel, Hilfsmittel zum Ausdrehen abgebrochener Schrauben, kleine und große Lufthebekissen, Spezialschlüssel, Spezialabzieher, Spreizer etc.

Wichtig ist nur, dass es einen Verantwortlichen für diesen Schrank gibt, der den Inhalt immer prüft und auf Stand hält.

Fazit

Es ist also lohnenswert, sich mit dieser Kennzahl zu beschäftigen. Eine Halbierung der MTTR ist fast immer machbar und bringt ungeahnte Einsparungen.


Ihr Ulrich Schleuter